3.Strafaktenforensik - Informationsgewinnung
Für die Informationsgewinnung war ein erhöhter Zeitaufwand erforderlich; dieser resultierte aus dem Umstand, dass die Akte in portugiesischer Sprache abgefasst ist.
Der Schwerpunkt der Informationserhebung liegt im Vorwurf des mutmaßlichen Tötungsdeliktes sowie den damit verbundenen Vorwürfen der Leichenschändung im Sinne des portugiesischen Strafgesetzbuches. Die potenziellen waffenrechtlichen Verstöße stehen hier nicht zur Beurteilung, da eine mögliche Strafbarkeit bereits aus einem Besitzverhältnis von Waffen resultieren kann und der Besitz, der in der Akte aufgeführten Waffen, offenkundig unstreitig ist.
Insoweit konzentriert sich die Untersuchung auf die Beweislage, die insbesondere für den Verdachtsschöpfungsprozess in den mutmaßlichen Tötungsdelikten maßgeblich war und den damit verbundenen Ermittlungsmaßnahmen der portugiesischen Ermittler.
3.1 Verdachtsschöpfungsprozess anhand von Zeugenaussagen
Die ersten Verdachtsmomente hinsichtlich eines möglichen Tötungsdeliktes erwuchsen mit dem Auffinden des Land Rover, Freelander, vom bis dato vermissten Mario Coucelos. Es folgten erste Untersuchungen des Fahrzeugs mit dem Ergebnis des Auffindens einer Karte im DinA4-Format, mit einem darin markierten Grundstück. In der Folge wird das betreffende Grundstück aufgesucht und so weitere dahingehend indikative Beweise vorgefunden.
Nachfolgend werden die Aussagen mit einer Bedeutung hinsichtlich des angenommenen Modus Operandi und damit der Verdachtsschöpfung in diesem Fall herausgearbeitet und mit Anmerkungen der Gutachter versehen. Eine weitergehende Bewertung erfolgt unter Punkt 4 des Gutachtens, bzw. zusammenhängend unter Punkt 5 des Gut achtens.
3.1.1 Befragung O. C.
O. C. wurde am 11.09.2022 um 16:58 Uhr im Rahmen seiner Vermisstenanzeige auf der Polizeiwache (PSP) zeugenschaftlich befragt. Er machte dabei sowohl Angaben zur Person seines Vaters, Mario Coucelos als auch zur Person des Mario Sobral. (Bl. 12 ff. der Akte). Dabei gab O. C. an, dass sein Vater Mario Coucelos seit dem Nachmittag des 10.09.2022 vermisst werde. Das letzte Mal sei er in Begleitung von Mario Sobral gesehen worden. Mehrere Versuche, die Mobiltelefone der beiden Vermissten zu erreichen, seien erfolglos geblieben.
Anmerkungen der Gutachter
Die Befragung von O. C. ist nicht sehr ergiebig. Die Informationen, die er bei der Polizei macht, dürften vom Hörensagen stammen. Sie sind daher nicht so präzise und daher nicht belastbar.
3.1.2 Vernehmung F. S. G. d. A.
Am 12.09.2022 (gemäß Protokoll 09.12.2022) um 16:00 Uhr wurde der Zeuge: F. S. G. d. A., geb. […], vernommen. (Bl. 57-59 der Akte)
Der Zeuge F. A. gibt an, den Vermissten Mario Coucelos bereits seit der gemeinsamen Kindheit zu kennen. Mario Coucelos sei dann für viele Jahre nach Frankreich ausgewandert.
Am 10.09.2022 um 14:00 Uhr sei F. A. von dem Mario Coucelos angesprochen und zum Anhalten aufgefordert worden. F. soll sich zu diesem Zeitpunkt zwischen dem Café (neben Porto de Säe Mateus) und seiner Adega in Pontinha befunden haben; er habe daraufhin sein Auto am Eingang des Hafens von Säe Mateus angehalten.
Mario Coucelo war zu diesem Zeitpunkt mit einer weiteren Person, deren Gesicht F. nicht erkennen konnte, in seinem Auto. Mario Coucelo sei dann aus dem Auto ausgestiegen und habe F. A. gefragt, ob er ihm sein Land verkaufen würde. Es geht dabei um ein ländliches Grundstück, das F. A. von seiner Mutter geerbt habe. Es gibt noch weitere Miterben und damit Miteigentümer dieses Grundstücks, nämlich zwei Cousins, die in Kanada leben sollen. F. A. soll bereits lange keinen Kontakt mehr zu diesen Cousins haben. F. hatte offensichtlich kein Interesse, das Grundstück zu verkaufen. Er erklärte wörtlich weiter: „Als er darauf beharrte, dass ich dem Grundstück einen Wert beimessen sollte, sagte ich ihm schließlich, dass ich es nur für 60.000 € (sechzigtausend Euro) verkaufen würde. Ich weiß, dass dies ein sehr hoher Wert sei, aber am Ende habe ich ihnen diesen Wert genannt, damit er erkennt, dass ich kein Interesse daran habe, es zu verkaufen und mich in Ruhe lässt.“
Daraufhin soll Mario Coucelos geantwortet haben, dass es dies mit seinem Partner besprechen und sich dann wieder bei ihm melden wolle.
Nachdem F. A. dem Mario Coucelos seinen Preis genannt haben will, habe er seinen Weg fortgesetzt, ohne noch etwas vom Mario Coucelos wieder zu hören. Erst am Sonntag, den 11.09.2022 habe er im Café erfahren, dass Mario Coucelos und sein Partner, der während der Unterhaltung im Auto sitzen blieb, vermisst würden.
Vernehmender Beamter: G. D., Inspektor
Anmerkungen der Gutachter
Die Vernehmung wurde um 17:30 Uhr beendet und dauerte demnach 1,5 Stunden. Sie umfasst insgesamt drei Din-A4 Seiten einschließlich der Personaldaten. In dieser Zeit wurde der Sachverhalt auf weniger als zwei Seiten verschriftlicht, was für eine Vernehmungsdauer von 1,5 Stunden sehr wenig ist. Es muss daher angenommen werden, dass nicht alles Besprochene (Gesagte) entsprechend protokolliert wurde.
Da F. A. möglicherweise den letzten nachweisbaren Kontakt zu Mario Coucelos und seinem Partner vor deren Verschwinden hatte, wären weitere Informationen bei F. A. zu erfragen gewesen. So bspw. mit welchem Fahrzeug Mario Coucelos unterwegs war (er spricht zwar von seinem Auto, dies sollte jedoch präzisiert werden) und welches Auto habe F. A. selbst gefahren. Konnte F. A. in das Auto des Mario Coucelos tatsächlich hineinschauen, falls dieser mit einem Land-Rover unterwegs gewesen sei? In welche Richtung sei Mario Coucelous gefahren? Wie habe sich die Person in „seinem“ Auto verhalten? Wo war genau die Stelle, an der sich die Personen getroffen haben? Woher kannte Mario Coucelous das Grundstück und was wusste er über die Ausmaße dieses? War es das erste Gespräch zwischen Mario Coucelos und F. A. über das Grundstück? Der Aussage nach zu urteilen, sollte es das erste Gespräch gewesen sei.
3.1.3 Vernehmung M. N. P. C.
Am 12.09.2022 um 16:30 Uhr wurde die Zeugin, M. N. P. C., geb. 04.06.1955, vernommen. (Bl. 60-63 der Akte)
M. C. ist die Ehefrau von Mario […] Coucelos (eines der vermeintlichen Opfer). M. C. habe ihren Ehemann zuletzt am 10.09.2022 gegen 12:30 Uhr zuhause gesehen, als er zu Mittag gegessen habe.
Mario Coucelos kaufe und verkaufe Land (Grundstücke) auf der Insel. Als ihr Ehemann am Abend nicht nach Hause gekommen sei (üblicherweise kommt er gegen 18:30 Uhr zum Abendessen nach Hause), habe sie versucht ihn über sein Mobiltelefon zu erreichen (Nr. […]). Der Anruf ging direkt auf die Mailbox/Anrufbeantworter.
Als ihr Ehemann am nächsten Morgen immer noch nicht nach Hause gekommen sei, habe M. ihren Sohn, O. C. alarmiert. Beiden sollen auch versucht haben, den Freund von ihrem Ehemann (Mario Sobral) zu kontaktieren. Die beiden Männer sollen gute Freunde sein und immer gemeinsam Grundstücke einkaufen. Frau C. und O. C. wollen nach Mario Coucelos gesucht haben. Sie sollen von einem Freund oder Freundin die Information erhalten haben, dass das Auto von Mario Coucelos, ein Land Rover gefunden wurde; das Auto sei geparkt und verlassen gewesen.
Am 09.09.2022 habe Mario Coucelos seiner Frau anvertraut, dass er ein Grundstück kaufen möchte. Er wollte das Land gemeinsam mit seinem Freund Mario Sobral besichtigen. Welches Stück Land ihr Ehemann kaufen wollte, wisse Frau M. C. nicht. Ob er dieses Stück Land am nächsten Tag tatsächlich besichtigt habe, wisse sie nicht.
Nach Angaben der Ehefrau habe Mario Coucelos keine Konflikte oder Auseinandersetzungen gehabt. Der Ehefrau ist lediglich bekannt, dass ihr Ehemann vor zwei oder drei Monaten ein Stück Land gekauft habe. Sie wisse jedoch nicht, wo sich dieses Grundstück befindet. Den Kauf habe ihr Ehemann im Namen einer anderen Person (offensichtlich für eine andere Person) getätigt. Mario Coucelos soll dies schon häufiger gemacht haben. Er mache dies für Freunde, die nicht in Pico wohnen.
Die Vernehmung wird um 18:00 Uhr beendet; sie umfasst vier Seiten Din-A4 samt Personaldaten. Die Vernehmung zur Sache umfasst 3 Din-A4 Seiten, was indikativ dafür ist, dass nicht alle Inhalte des Gesprächs protokolliert wurden.
Vernehmender Beamter: S. S., Inspektor
Anmerkungen der Gutachter
Es wird nicht nachgefragt, welcher Freund ihr die Information bezüglich des Auffindens des Land Rover ihres Mannes gegeben habe.
Auch wird nicht nachgefragt, ob es Unterlagen zu den Geschäften ihres Ehemannes gibt, aus denen hervorgeht, für wen er welches Land kauft.
Interessant scheint ggfs. in diesem Zusammenhang der Kauf des für Frau C. unbekannten Grundstücks für einen anderen vor zwei bis drei Monaten zu sein. Möglicherweise erwuchs daraus ein schwerwiegender Konflikt.
Warum wurden über die jeweiligen Provider keine Geo- und Verbindungsdaten zu den beiden Rufnummern erhoben?
3.1.4 Vernehmung M. H. D. N. d. C.
Am 12.09.2022 um 18:00 Uhr wurde der Zeuge: M. H. D. N. d. C., geb. […], vernommen. (Bl. 67 – 69 der Akte)
M. H. d. C. (ehemals in leitender Funktion der ortsansässigen Feuerwehr) ist über Facebook bekannt mit O. C. (Sohn des vermissten Mario Coucelos). Als dieser über Facebook das Verschwinden seines Vaters seit dem Nachmittag des 10.09.2022 öffentlich macht, ruft M. H. d. C. diesen an. (vermutlich am 11.09.2022, Uhrzeit unbekannt)
So will sich M. H. d. C. die Umstände des Verschwindens von Mario Coucelos erklären lassen (der Grund für sein Interesse, wird bei seiner Vernehmung nicht erfragt). Dabei will M. H. d. C. erfahren haben, wo das Auto von Mario Coucelos vorgefunden worden sei.
Ohne es weiter zu konkretisieren, will M. H. d. C. den O. c. aufsuchen. Offensichtlich befindet sich dieser gerade an dem Ort, an dem sich das Auto seines Vaters befindet. M. H. d. C. fährt zu diesem Ort.
Dort sollen bereits neben O. C. mehrere Personen anwesend gewesen sein (welche Personen dort bereits vor Ort sind, wird allerdings nicht erfragt). Als der Chef der Kriminalpolizei der PSP-Polizeistation in Madalena, J. C., dort ebenfalls erscheint (es ist unklar, ob dieser bereits vor Ort war, als M. H. d. C. dort ein trifft), soll dieser zunächst den Fahrgastraum des Land Rover von Mario Coucelos betreten haben (unklar ist, ob das Fahrzeug abgeschlossen war oder unverschlossen etc.). Dabei soll J. C. in der Beifahrertür ein Din-A4 Blatt mit einer Kartographie des Küstengebiets vorgefunden haben (die Karte wird jedoch offensichtlich nicht als Spurenträger behandelt, da sie den anwesenden Personen vorgezeigt wird).
Als ehemalige Chef der Madalena Feuerwehr will M. H. d. C. über einige kartografische Kenntnisse verfügen. Er erklärt wörtlich weiter: „auf dieser Grundlage konnten wir gemeinsam feststellen, dass es sich bei dem abgebildeten Ort um ein bewaldetes ländliches Gebiet handelte, das sich bis zur Küste von Barrocas do Mar erstreckte“ (es wird nicht geklärt, wer in diese Karte reinschauen und diese möglicherweise auch anfassen und zugleich seine Spuren darauf hinterlassen durfte).
In diesem Zusammenhang sollen der Zeuge und ein weiteres Mitglied der PSP (genannt V. C.) beschlossen haben, eine Erkundung in dem Gebiet der oben genannten Karte durchzuführen, wobei sie sich auf das Ende des ländlichen Grundstücks bezogen, der in weiß auf dem besagten Dokument individualisiert sei (es erschließt sich nicht, warum M. H. d. C. diesen Bereich mit einem Polizeibeamten untersuchen soll und nicht ausschließlich Polizeikräfte? Ferner ist ungeklärt, was die übrigen Personen vor Ort unternommen haben – wurden sie ebenfalls in die Suche ein gebunden? Fraglich ist ebenfalls, wie sind M. H. d. C. und der Polizeibeamter zu dieser Stelle gelangt - von dem Standort des Autos gibt es wohl keinen Zugang oder Durchgang.)
M. H. d. C. schildert weiter wie folgt: „Als wir einen der südlichen Gipfel (Anmerkung: Eher Zipfel/Begrenzungspunkte) dieses Landes umrundeten, nämlich den, der an das Grundstück eines dort lebenden deutschen Ehepaares grenzt (bereits ordnungsgemäß als Tomislav Jozic und Ruth Hager identifiziert (Anmerkung des vernehmenden Polizeibeamten im Protokoll)), fielen mir einige der Basaltsteine der Stützmauer auf, die das Grundstück flankiert und auch der gleiche Weg, der von dieser Küste aus verläuft, hatte Flecken, die ich sofort mit Blut in Verbindung brachte …
Neben diesen Flecken, die sich ausschließlich auf die Spitze dieses Geländes konzentrierten, bemerkten wir das Vorhandensein von Fischresten, die meiner Meinung nach nur dort abgelegt wurden, um die Blutflecken zu verbergen und die Menschen, die dort vorbeikommen könnten, in die Irre zu führen, das Gefühl, sie glauben zu lassen, dass das Blut fälschlicherweise von den Fischen selbst sei.“
Der Zeuge M. H. d. C. wird aufgefordert, die Heftigkeit dieser Schlussfolgerung besser zu erklären, und stellt klar, dass dies auf seiner umfangreichen Erfahrung als Feuerwehrmann beruht „Wer bereits Opfer- und Leichenrettungsarbeiten durchgeführt hat, hätte sicherlich die gleiche Wahrnehmung wie ich…… Tierisches Blut (ob menschlich oder nicht) verdunkelt sich und gerinnt, wenn es der frischen Luft ausgesetzt wird. Ich glaube, dass die Leute, die den Fisch auf das Blut gelegt haben, zuerst versucht haben, ihn zu reinigen, was Ihnen aufgrund der besonderen Rauheit und Porosität dieser Gesteinsart nicht gelang. Deshalb haben sie versucht, es mit dem Fisch zu verbergen.“
Daraufhin beschloss der Zeuge nach Rücksprache mit dem PSP-Kollegen, der ihn begleitete, Kontakt mit dem Chef J. C. aufzunehmen - im Sinne einer Meldung des oben genannten Befundes an ihn - mit gleicher Bitte, den Ort bis zur Ankunft nicht zu verlassen von den Beamten (Elementen der Major Brigade = wohl höher gestellte Polizeibeamte) L. G. und D. S.
„Bereits nach ihrer Ankunft unterhielten wir uns zu viert, als ich plötzlich einen kleinen glänzenden Gegenstand in der Mauer bemerkte… als ich L. G. auf diese Tatsache aufmerksam machte, bat er mich sofort, diesen Gegenstand nicht anzufassen, weil es sich um die Hülse einer verbrauchten Munition handelte“
Nach dem Vorhergehenden und in dem Maße, in dem der Szenarioaspekt immer mehr die Konturen eines Tatortes annahm, wurde der Zeuge von den dort anwesenden PSP Beamten zum Verlassen aufgefordert, weshalb der Aussage nichts mehr von Interesse hinzuzufügen ist.
Vernehmender Beamter: G. D., Inspektor
Anmerkungen der Gutachter
Die Vernehmung schließt nach einer Stunde um 19:00 Uhr und hinterlässt wesentlich mehr Fragen als sie Antworten liefert. Es wurden bereits kurze Bemerkungen in die Aussagepassagen als Klammervermerke eingefügt.
Insgesamt ist das Engagement des Interessierten (noch nicht Zeugen) M. H. d. C. für diese Vermisstensache bemerkenswert. Warum er sich persönlich so stark in diese Sache einbindet, wird nicht erfragt und letztlich auch nicht geklärt.
Fakt ist, M. H. d. C. lässt sich zunächst die Umstände des Verschwindens von dem Sohn des Mario Coucelos erklären, dann fährt er zum Fundort des Pkw, der kriminalistisch bereits als Tatort zu werten ist.
• Dort wird er weiter aktiv und unterstützt die polizeiliche Ermittlungsarbeit.
• Er gibt die entscheidenden Hinweise, wie die im Auto vorgefundene Karte zu verstehen ist.
• Er entscheidet offensichtlich, die Örtlichkeit auf der Karte aufzusuchen.
• Er entdeckt Blutspuren in der Steinmauer.
• Vor Ort wertet er kriminalistisch vorhandene Spuren (Fischreste) mit einer auffälligen Sicherheit und kommt zu der Feststellung, dass es dort zu einer blutigen Tat gekommen sein muss.
• Er lässt den mutmaßlichen Tatort absperren und holt Verstärkung.
• Letztlich berät er vor Ort das weitere Vorgehen mit der Polizei und erblickt dabei zufällig eine Patronenhülse in der Steinmauer. Anschließend überlässt er den Rest der Polizei.
Es mag sein, dass der ehemalige Chef der örtlichen Feuerwehr über ausgeprägte und bereits polizeibekannte kriminalistische Fähigkeiten verfügt. In einem solchen Fall sollte dieser Umstand zwingend aktenkundig gemacht werden.
Gutachter für kriminalistische Analysen und Bewertungen solcher Fallkonstellationen bleiben bei der Vielzahl erkenntnisreicher Feststellungen durch einen zunächst Unbeteiligten, dies gepaart mit dem parallelen Aufspüren/Auffinden von richtungsweisenden Beweisen samt dem Aufstellen von kriminalistischen Schlussfolgerungen überaus kritisch. Es gilt der kriminalistische Grundsatz, kritisch zu bleiben und Informationen zu überprüfen, bevor man ihnen bedingungslos vertraut, dies gerade bei einer solchen Vielzahl von tatrelevanten Informationen und Hinweisen aus einer Hand.
3.1.5 Vernehmung F. N. M. P.
Am 12.09.2022 um 18:30 Uhr wurde der Zeuge: F. N. M. P., geb. […], vernommen (Bl. 70 – 72 der Akte)
F. P. kommt zur Polizei, da er mit einer Schusswaffe bedroht worden sein soll. Dieser Vorfall sei allerdings länger als einen Monat her.
Er erklärt, dass er normalerweise Spaziergänge entlang der Küste in der Nähe seines Wohnsitzes unternimmt. Auf diesen Spaziergängen, die er etwa dreimal in der Woche unternehme, komme er manchmal an einem Haus vorbei, das von einer Steinmauer umgeben sei und über ein graues Tor verfüge. Er wisse, dass dieses Haus von einem Paar deutscher Nationalität bewohnt werde, denn das Haus sei als das Haus der Deutschen bekannt. Der Name dieses Paares sei unbekannt.
In Bezug auf den untersuchten Sachverhalt gibt er an, dass ihm und seiner gesamten Nachbarschaft bekannt sei, dass zwei Personen vermisst würden, nämlich MARIO COUCELOS und eine weitere Person, die ebenfalls MARIO heißt. Nach Angaben der Nachbarschaft seien diese Personen zuletzt neben einem Grundstück gesehen worden, das an das Grundstück des von ihnen erwähnten deutschen Paares grenze. Berichten zufolge habe einer der Verschwundenen dieses Land kaufen wollen.
F. P. habe weiter wie folgt erklärt: „… dass er vor etwa einem Monat etwa 50 Meter vom Tor des Grundstücks des oben genannten deutschen Paares entfernt vorbeigekommen sei, und zwar ganz natürlich, weil „die Straße dort endet und es einen Wendehammer gibt, um umzukehren.“ Dort gehen mehrere Leute zu Fuß. Da der Weg kurz ist, komme ich manchmal zweimal auf demselben Weg dort vorbei. Vor etwa einem Monat entdeckte er im Anschluss an seine Taten und ohne dass ihn irgendetwas hätte vorhersehen können, eine Person auf dem Grundstück des „deutschen Hauses“. Obwohl er ihn noch nie zuvor gesehen hatte, glaubte er, dass er Eigentümer sei.“
Weiter habe F. P. erklärt: „Ich habe die Person nur vom Brustbereich aufwärts gesehen, weil die Wand den Rest des Körpers bedeckte. Als ich genauer hinsah, sah ich, dass er in einer Hand ein Fernglas hatte und mit der anderen Hand auf mich zeigte. Er zeigte immer auf mich und da wurde mir klar, dass er eine Pistole in der Hand hatte und in meine Richtung zeigte.“
Auf Nachfrage erwähnt er, dass er sicher sei, dass es sich nicht um eine Langwaffe, etwa eine Schrotflinte oder ähnliches, gehandelt habe. Es handelte sich um einen Revolver oder eine Pistole, weil es laut Aussage des Zeugen „eine kleine Waffe war, die man nur in einer Hand halten kann“.
Der Zeuge F. P. teilte weiter mit: „Er sagte nichts und machte auch keine weiteren Gesten. Ich drehte mich einfach um und ging weiter. Er hat zu Hause Kameras, die auf die Straße gerichtet sind, und er muss gesehen haben, wie ich mich dem Haus näherte. Aber ich bin einfach die Straße wie jeder normale Mensch weitergegangen. Ich bin nicht in die Nähe des Tors gegangen.“
Auf Nachfrage will F. P. wohl keine Anzeige wegen dieses Vorfalls erstatten. Die Zeugenvernehmung endet um 18:40 Uhr.
Der vernehmende Beamte ist: S. S. (Inspektor)
Anmerkungen der Gutachter
Bei Herrn P. handelt es sich in dieser Sache um einen Zeugen vom Hörensagen. Er kann keine Angaben zu dem gegenständlichen Sachverhalt machen, bietet jedoch für die Polizei willkommene Informationen, die sich offenkundig aus einem zeitlich zu rückliegenden Sachverhalt ergeben. Es geht hierbei um eine angeblich gegen ihn gerichtete Handfeuerwaffe.
Von Seiten des vernehmenden Beamten werden zu diesem Sachverhalt keine konkretisierenden Informationen eingeholt. So wird keine Personenbeschreibung des angeblichen „Täters“ erfragt und auch nicht der genaue Standort des Zeugen und des vermeintlichen „Täters“ zum Zeitpunkt der angeblichen Bedrohung. Der Zeuge will sich ja 50 Meter vom Zufahrtstor entfernt befunden haben; wo sich der mutmaßliche „Täter“ zu diesem Zeitpunkt auf dem Grundstück befunden haben soll, ist nicht bekannt.
Ferner bildet die Steinmauer samt braunem (nicht grauen) Tor eine erhebliche Sichtbehinderung bis zu einer Höhe von ca. 170 cm. Fraglich ist daher, wie der Zeuge seine Beobachtung gemacht haben will. Möglicherweise hätte er partiell eine Handfeuerwaffe erkennen können, wenn diese etwa in Augenhöhe einer ca. 190 cm hohen Person gehalten worden wäre. Den Brustbereich hätte der Zeuge dabei wohl nicht sehen können. Auch die kommunizierte Entfernung zwischen den Personen dürfte eine solche Wahrnehmung erheblich beeinträchtigen.
Insgesamt erschließt sich den Gutachtern nicht, wie der Zeuge auch noch zeitgleich das angebliche Fernglas habe sehen können. Der mutmaßliche Täter wird ganz sicher nicht zeitgleich durch das Fernglas hindurchgeschaut und mit der anderen Hand eine Schusswaffe auf eine Person gerichtet haben. Die Polizei hätte die Plausibilität einer derart belastenden Aussage zwingend prüfen und dabei detailliert die tatsächlichen Abläufe erfragen müssen.
Auch fällt auf, dass der vermeintliche „Täter“ dieser ernsthaften Bedrohung keine sonstigen – mit einer solchen Geste üblicherweise korrespondierenden – Verhaltensweisen an den Tag gelegt haben soll – so habe er nichts gesagt oder sonstige Gesten gemacht haben.
Offensichtlich fühlte sich der Zeuge in diesem Moment auch nicht wirklich bedroht, da er selbst im Nachgang keine Anzeige erstatten wollte.
Insgesamt wirkt die Aussage konstruiert – die vermeintliche Tathandlung korrespondiert nicht mit den örtlichen Gegebenheiten.
Vom großen Interesse für die polizeilichen Ermittlungen sollte die folgende Aussage des Zeugen F. P. gewesen sein. So erklärt dieser: „Nach Angaben der Nachbarschaft seien diese Personen zuletzt neben einem Grundstück gesehen worden, das an das Grundstück des von Ihnen erwähnten deutschen Paares grenze“. Hier wäre zwingend zu ermitteln gewesen, wer mit „Nachbarschaft“ namentlich gemeint ist! Es gab hierzu jedoch keine protokollierten Nachfragen.
Gemäß Protokollierung des vernehmenden Beamten soll diese Vernehmung lediglich 10 Minuten gedauert haben. Das erscheint im Lichte der vorangegangenen Vernehmungen etwas zu kurz. Nach Erfahrung der Gutachter dürfte der Zeitaufwand für eine Vernehmung mit diesem Inhalt etwa 30 Minuten betragen haben.
3.1.6 Befragung M. D. A. A. C.
Am 12.09.2022 wurde die Zeugin, M. D. A. A. C. befragt. (Bl. 73 der Akte)
Die Zeugin wurde gezielt aufgesucht. Aus der Akte ist nicht ersichtlich, wie die Polizei über die potenzielle Zeugeneigenschaft von M. C. erfahren hat.
Demnach soll M. C. am Nachmittag des 10.09.2022 der Geruch eines Bran des aufgefallen sein; es soll sich dabei um einen „sehr stark und ekelerregend“ brennenden Geruch gehandelt haben, der lange Zeit, nämlich zwischen 17:00 und 20:00 Uhr desselben Tages in der Luft geblieben sei. Die polizeiliche Nachfrage nach der Art und Herkunft des Geruchs konnte die Zeugin nicht beantworten.
Befragender Beamter: G. D. Inspektor
Anmerkungen der Gutachter
Es fehlen die Personaldaten der Zeugin. Die Angaben sind insoweit sehr unpräzise, da eine Empfindung wie „ekelerregend“ ausschließlich subjektiv ist und keine nachvol ziehbare Geruchsprägung verifizieren lässt. Der befragende Beamte hätte diese Geruchsbeschreibung weiter präzisieren müssen wie bspw. süßlicher oder säuerlicher Geruch, stechender Geruch, Benzingeruch etc.
Darüber hinaus ist die Herkunft des vermeintlich ekelerregenden Geruchs völlig ungeklärt und daher wenig aussagekräftig.
3.1.7 Vernehmung D. V. R. S.
Am 13.09.2022 um 13:30 Uhr wurde der Zeuge: D. V. R. S., geb. […], vernommen. (Bl. 74 – 77 der Akte)
Im Vernehmungsprotokoll ist wie folgt verschriftlicht:
In diesem Protokoll stellt der Zeuge zunächst fest, dass sich sein Haus in unmittelbarer Nähe des Grundstücks befindet, auf dem die Zielpersonen verschwunden sind, so dass er von seinem Balkon aus einen perfekten Blick auf den mutmaßlichen Tatort hat.
„Noch wurde in den sozialen Netzwerken nichts über das Verschwinden dieser beiden Personen berichtet, als meine Partnerin Mo. Co. und ich mit einem leistungsstarken Fernglas, das wir zu Hause haben, die Landschaft betrachteten. Ohne dass es etwas zu vermuten gab bemerkten wir ein großes Feuer auf einem Grundstück, das an das Haus eines deutschen Ehepaars angrenzt, das dort wohnt, und zwar am südlichen Ende des Grundstücks, in der Nähe der Mauer, die es begrenzt... es war etwa 19 Uhr, und wir konnten immer noch Flammen sehen, zusätzlich zu einem schwarzen, sehr dichten Rauch".
Nachdem bekannt wurde, dass das Verschwinden der genannten Personen an dem selben Ort, in der Nähe des Lagerfeuers, das sie am Vortag entdeckt hätten, stattgefunden habe, beobachteten der Zeuge und seine Begleiterin diesen Ort weiter und bemerkten schließlich seltsame Bewegungen des genannten ausländischen Paares: „ Wir sahen, dass sie vor dem Haus auf Zementblöcken mehrere dunkle Teppiche (die schwer zu sein schienen) zum Trocknen ausgebreitet hatten, sowie mehrere Paar cremefarbene Handschuhe, wie sie üblicherweise bei der Gartenarbeit verwendet werden".
Nach Angaben der Zeugen verhielt sich das Paar sehr seltsam und ging immer wieder in das Haus hinein und wieder hinaus, als ob es sich Sorgen machte, was vor sich ging.
Die Vernehmung wurde um 14:30 Uhr beendet.
Vernehmender Beamter: G. D., Inspektor
Anmerkungen der Gutachter
Zunächst fällt in dieser Vernehmung auf, dass der Zeuge David Silvestre seine Partnerin, Mo. Co. als weitere Zeugin ins Gespräch bringt. Diese wird allerdings in der Folge nicht zu ihren Wahrnehmungen polizeilich vernommen.
Bemerkenswert ist bereits die erste Aussage von D. S., wonach sich sein Haus in unmittelbarer Nähe des Grundstücks befinde, auf dem die Zielpersonen verschwunden seien, so dass er von seinem Balkon aus einen perfekten Blick auf den mutmaßlichen Tatort habe.
Nach Einschätzung der Gutachter ist die Entfernung zwischen den Häusern nicht unerheblich, inwieweit dabei von einem „perfekten Blick“ – selbst mit einem Fernglas – gesprochen werden kann, erschließt sich den Gutachtern nicht. Es muss insbesondere angezweifelt werden, dass D. S. sogar die Farbe der zum Trocknen ausgelegten Handschuhe erkennen konnte. Diese Aussage wird von dem vernehmenden Beamten ohne jegliche Kontrollfragen als Tatsache protokolliert. Dabei wäre es die Pflicht der ermittelnden Beamten, diesen perfekten Blick vor Ort zu überprüfen und damit zugleich die Aussage von D. S. zu objektivieren.
Ansonsten beinhaltet auch diese Vernehmung subjektive Einschätzungen, die sich aus der Szenerie objektiv nicht ableiten lassen. So bspw. durch die Anmerkung, dass sich das Paar sehr seltsam verhielt und immer wieder in das Haus hinein ging und wieder hinaus, als ob es sich Sorgen machte, was vor sich ging.
Wesentliche Recherchen, wie die Erhebung der Entfernung zwischen den Standorten sowie eine nachgelagerte Rekonstruktion dieser Beobachtungen unterblieben jedoch.
3.1.8 Vernehmung J. S. B.
Am 13.09.2022 um 15:30 Uhr wurde der Zeuge, J. S. B., geb. […], vernommen (Bl. 78 – 80 der Akte)
Der Zeuge B. lebt in Deutschland. Er besuche die Insel Pico vier bis fünf Mal jährlich und bleibe etwa einen Monat auf der Insel.
Der Zeuge gibt weiter an, die Angewohnheit zu haben, Spaziergänge entlang der Küste in der Nähe seines Wohnsitzes zu unternehmen. Auf dem Weg, den er nehme, komme er an einem Haus vorbei, das von einer Steinmauer umzäunt ist und über ein graues Tor verfüge. Dieses Haus soll von einem Paar bewohnt werden mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Mit einem der Bewohner will der Zeuge B. schon mal einen Kontakt gehabt haben.
Zur Sache erklärt Herr B., es sei ihm bekannt, dass zwei Personen vermisst würden. Und weiter erklärt er: „Aus der Nachbarschaft wird berichtet, dass diese Personen zuletzt gesehen wurden neben einem Grundstück, das an das Grundstück dieser Personen grenzt, weil sie angeblich beabsichtigten, dieses Land zu kaufen.“
Herr B. erklärte in seiner Vernehmung wie folgt weiter: „… Anfang dieses Jahres bei einem seiner Spaziergänge passierte er etwa 50 Meter vom Tor entfernt das Eigentum der Person mit oben genannter Nationalität, und zwar auf natürliche Weise, weil die Straße dort endet und es einen Wendehammer gibt, den man umfahren muss.“
„Im Anschluss daran und ohne, dass ihn irgendetwas hätte vorhersehen können, einen flüchtigen Blick auf eine Person im Inneren des oben genannten Grundstücks. Obwohl er ihn noch nie zuvor gesehen hat, glaubt er, dass er der Besitzer sein würde.“
Er hat ihn nur einmal gesehen und ihn nie wieder gesehen. Er erwähnt: „Ich habe die Person nur vom Brustbereich aufwärts gesehen, weil die Wand den Rest des Körpers bedeckte. Die Person fing unerklärlicherweise an zu schreien und sagte mir, ich solle da raus. Ich antwortete, dass das „öffentliches Gelände sei" und er antwortete, dass das Land ihm gehöre und „dass ich sofort da raus müsse“. Die Wahrheit ist, dass ich auf dem Hauptweg war, es war kein (Privat)Weg oder so etwas in der Art. Das ist der normale Weg auf dem die Leute gehen. Dann gibt es einen Kreisverkehr.“
Er (der Zeuge) erklärt weiter: „Als er sagte, dass das Land ihm gehörte, sagte ich ihm, er solle es beweisen. Wir sprachen immer Englisch. Und er antwortete sofort FUCK OFF, schreiend und sichtlich aufgebracht. Ich antwortete NICHT JETZT und er fing an auszuflippen. Er fing an, PISS OFF zu sagen und sagte, es sei privat und ich solle gehen. Ehrlich gesagt, fand ich diese Reaktion zu aggressiv. Die Hunde bellten und ich dachte, dass er jeden Moment das Tor öffnen und die Hunde auf mich hetzen würde. Oder aber, dass er mit einem Stock oder einer anderen Waffe auftauchen würde.“
„Über mehrere Minuten eskalierte das Gespräch immer mehr und wurde sehr aggressiv und beleidigend. Der Zeuge verstand es jedoch, den Angriffsaustausch zu beenden und auf dem gleichen Weg zurückzukehren, um so einen Konflikt zu vermeiden, der schwerwiegendere Folgen hätte haben können.“
Auf Nachfrage erwähnte er (der Zeuge), dass er keine Schusswaffe oder ähnliche Waffen bei der Person gesehen habe. Er war jedoch äußerst schockiert darüber, dass die Person „aus heiterem Himmel“ sehr aggressiv geworden war. Er fügt hinzu: „Ich habe mich einfach umgedreht und bin weitergegangen.“
Er hat Kameras im Haus, die auf die Straße zeigen, und er muss gesehen haben, wie ich mich dem Haus näherte. Aber ich gehe einfach auf der Straße vorbei wie jeder normale Mensch. „Ich bin nicht in die Nähe des Tores gekommen.“
(Der Zeuge) Er erwähnt, dass er noch nie ein solches Individuum gesehen habe. Sie (er) wissen jetzt, dass er nach Angaben der Gesamtbevölkerung ein sehr aggressiver Ausländer ist, der mit einer deutschen Frau namens RUTH zusammenlebt. Er weiß, dass er Konflikte mit jedem verursacht, der sich seinem Grundstück nähert, obwohl er sich auf öffentlichem Grundstück befindet. Nach Angaben der allgemeinen Bevölkerung soll dieser Mensch glauben, dass der öffentliche Weg sein Eigentum sei, weshalb er jeden belästigt, der sich …
Er (der Zeuge) erwähnt auch, dass die Situation noch ernster wird, wenn Menschen beschließen, an der Steinmauer vorbeizugehen, die das Eigentum dieses Individuums abgrenzt, auch durch das Äußere, neben der Küste.“
Der Zeuge will keine Strafanzeige erstatten.
Die Vernehmung endet um 16:30 Uhr – sie dauerte damit eine Stunde.
Der vernehmende Beamte ist: S. S. (Inspektor)
Anmerkungen der Gutachter
Beim Lesen des Vernehmungsprotokolls fällt auf, dass die Aussage des Zeugen B. in vielen Details mit der Aussage von F. P. eins zu eins überein stimmt. Lediglich in Kern des Vorwurfs gibt es unterschiedliche Ausführungen.
Beide Aussagen wurden von dem Polizeibeamten S. S. aufgenommen. Entweder hat dieser die Vernehmung des F. P. als Vorlage benutzt und diese Aussage mit diesen Formulierungen so auch für den Zeugen B. übernommen und angepasst oder die Zeugen B. und P. haben ihre Aussagen so eng abgestimmt, dass im Ergebnis zwei gleichlautende Aussagen entstehen.
In beiden Szenarien wären diese Aussagen so nicht verwertbar – denn entweder handelt es sich um Wunschaussagen von S. S. oder es sind konstruierte und damit erfundene Aussagen.
Darüber hinaus ist die Aussage gespickt von unbelegbaren Behauptungen, die nicht näher hinterfragt werden und somit als Tatsachenbehauptungen wirken.
So soll der Zeuge B. wie folgt erklärt haben: „Aus der Nachbarschaft wird berichtet, dass diese Personen zuletzt gesehen wurden neben einem Grundstück, das an das Grundstück dieser Personen grenzt, weil sie angeblich beabsichtigten, dieses Land zu kaufen.“
Zum einen hat diese Aussage auch der Zeuge P. fast wortgleich getätigt und zum anderen gibt es keine belegte Aussage aus der sogenannten „Nachbarschaft“, dass die beiden Vermissten am Grundstück des deutschen Paares tatsächlich gesehen wurden.
Auch in diesem Fall fragt der vernehmende Beamte nicht nach Namen der Personen aus der Nachbarschaft! Die Aussage wird schlicht und ergreifend so als Fakt hingenommen.
Im Rahmen einer Vernehmung geht es darum, einen Sachverhalt zu ergründen und ggfs. neue Ermittlungsansätze zu gewinnen. Die Zeugen bieten durch ihre Aussagen regelmäßig Ankerpunkte für Nachfragen der vernehmenden Beamten. Diese werden allerdings in der gleichen Regelmäßigkeit ignoriert. Eine solche Vorgehensweise steht nicht für eine ordentliche kriminalistische Unterfütterung einer Verdachtslage. Dies trotz der Pflicht, alle be- und entlastenden Momente und Beweise aufzunehmen, zu hinterfragen, zu prüfen und zu bewerten, um letztlich zu einem belastbaren Ergebnis zu gelangen.
Gleiches gilt für die folgenden Aussage: „Sie (er) wisse(n) jetzt, dass er nach Angaben der Gesamtbevölkerung ein sehr aggressiver Ausländer ist, der mit einer deutschen Frau namens RUTH zusammenlebt. Er weiß, dass er Konflikte mit jedem verursacht, der sich seinem Grundstück nähert, obwohl er sich auf öffentlichem Grundstück befindet. Nach Angaben der allgemeinen Bevölkerung soll dieser Mensch glauben, dass der öffentliche Weg sein Eigentum sei, weshalb er jeden belästigt, der sich …“
Eine solche Aussage muss zwingend hinterfragt werden. Es muss konkret geklärt werden, wer so etwas aus der Bevölkerung behauptet, und welche Sachverhalte liegen einer solchen Generalisierung zugrunde? Und woher will der Zeuge B. wissen, dass „er (Jozic) Konflikte mit jedem verursacht, der sich seinem Grundstück nähert“.
Im Übrigen handelt es sich bei diesem mutmaßlichen Konflikt nicht um eine Bedrohung, sondern ggfs. um eine Beleidigung.
Im Ergebnis muss diese Aussage als überaus tendenziös gewertet werden, die dem einzigen Zweck dienen soll, einen angenommenen Modus Operandi zu bestätigen. Das spiegelt sich deutlich in der letzten Aussage des Zeugen B. wider, in der er wie folgt mutmaßt: „Er (der Zeuge) erwähnt auch, dass die Situation noch ernster wird, wenn Menschen beschließen, an der Steinmauer vorbeizugehen, die das Eigentum dieses Individuums abgrenzt, auch durch das Äußere, neben der Küste.“
Sollte der Zeuge eine solche Aussage treffen, muss diese eindeutig als Individualmeinung herausgestellt werden und objektiviert werden.
Vergleicht man die Aussagen von B. und P. in ihrem Kern, fällt auf, dass der mutmaßliche Täter in gleichgelagerten Situationen doch auffällig unterschiedlich reagiert haben soll.
Im Fall „P.“ soll er mit einer Handfeuerwaffe auf den Zeugen P. gezielt haben, ohne weiterer Gesten oder gar Beschimpfungen/Drohung.
Im Fall „B.“ soll der mutmaßliche Täter „über mehrere Minuten“ „sehr aggressiv und beleidigend“ den Zeugen Brüstle verbal angegangen haben.
Das sind zwei sehr unterschiedliche Reaktionen auf sich gleichende Ausgangssituationen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass hier zwei unterschiedliche Täter am Werk waren. Das lässt sich allerdings nicht feststellen, denn er fehlen in beiden Fällen schlicht und ergreifend Personenbeschreibungen zu dem/den „Täter/n“.
3.1.9 Vernehmung A. C. A. S.
Am 14.09.2022 um 11:20 Uhr wurde die Zeugin, A. C. A. S., geb. […], vernommen (Bl. 81 – 84 der Akte)
A.S. will ihren Vater im Juli 2022 letztmalig gesehen und am 07.09.2022 letztmalig gesprochen haben (via Telefon).
Sie könne daher keine Angaben zu den Umständen des Verschwindens von Mario Sobral machen. Sie erklärte zu ihrem Vater, dass er Land und Weinberge kaufte und verkaufte. Sie fügte hinzu, dass einige dieser Grundstücke im Namen von Hinterbliebenen gekauft bzw. vermutlich verkauft wurden.
Auf eine weitere Frage antwortet sie, dass sie von keinem Streit wisse, den ihr Vater gehabt habe, welcher Art auch immer. Ihr Vater habe Alkohol in Gesellschaft getrunken und ihr seien keine Konflikte oder Auseinandersetzungen bekannt. Er habe keine Schulden gehabt, von denen sie wisse. Obwohl ihr Vater ein pensionierter Militärmann war, besaß keine Schusswaffen und sie war sich sicher, dass er eine kleine Luftdruck Schrotflinte hatte.
Die Vernehmung wurde um 12:00 Uhr geschlossen.
Vernehmender Beamter war S. S., Inspektor.
Anmerkungen der Gutachter
Die Aussage von A. S. bietet möglicherweise ein Motiv für das Verschwinden/den Tod ihres Vaters; dieses könnte in den Grundstücksgeschäften des Mario Sobral liegen.
3.1.10 Vernehmung M. H. P. L. A. S.
Am 30.01.2023 um 11:30 Uhr bis 12:30 Uhr wurde die Zeugin, M. H. P. L. A. S., geb. […], vernommen (Bl. 764 – 765 der Akte)
Dabei erklärte sie wie folgt: „… dass Sie von der Insel Terceira sei und seit mehr als 6 Jahren auf Pico wohnt. Sie arbeitet als Allgemeinmedizinerin und Familienärztin im Gesundheitszentrum der Insel Pico und ist Madalena zugeteilt. Im Jahre 1988 heiratet sie Mario […] Sobral. Aus der Ehe ging eine Tochter, A. S. hervor, die aber schon älter ist (Anmerkung: Sie wohnt auf dem Festland).
Ihr Mann ist Rentner der Luftwaffe. Er war Maschinenbauingenieur, nachdem er seinen Wehrdienst geleistet hatte. An einem nicht genauen Datum trat er in die Luftwaffe ein. In der Luftwaffe wurde er Luftfahrtingenieur. Vor sechs oder sieben Jahren mit dem Übergang in den Vorruhestand, beschlossen sie auf die Insel Pico zu ziehen und zu leben. Sie kauften das Haus in der […] in Campo Raso, Gemeinde Candelaria und Bezirk Madalena. Auf der Insel widmete ihr Mann sich dem Weinbau. Mit seinem Freund Mario Coucelos, einer Person mit Erfahrung in dieser Branche, suchten sie nach Grundstücken für künftige Käufe.
Was die Eigenheiten (Eigenschaften) ihres verstorbenen Mannes betrifft, beschreibt sie ihn als einen zurückhaltenden, ruhigen, friedlichen Menschen, der mit Stresssituationen umzugehen wusste. Er zeigte kein aggressives Verhalten und bediente sich der Worte (Sprache) um Meinungsverschiedenheiten zu regeln.
Er hatte keine bekannten Feinde, auch nach seiner Ankunft auf Pico, verhielt sich als korrekter Mensch, fügte sich in die Gesellschaft ein, in der er gute Freunde fand. Er war ein gut gelaunter Mensch mit viel Sinn für Humor.
Das letzte Mal als sie ihren Mann lebend gesehen hatte, war am 07. September 2022, einen Tag, bevor sie auf die Insel Terceira zu einem Kongress über Herz-Kreislauf Erkrankungen, VIII Bienal Cardiologia, aufbrach. Sie erinnert sich, dass am 09. September, Samstag gegen 18:00/19:00 Uhr, als sie nach Pico zurückgekehrt ist, sie Ihren Mann zweimal versuchte anzurufen, aber das Handy ein Besetztzeichen hatte. Als sie ihren Notdienst in Gesundheitszentrum von Madalena gegen 20:00 Uhr antrat, versuchte sie am nächsten Tag ihn erneut anzurufen, aber das Resultat war dasselbe. Sie will damit sagen, dass im Laufe des Nachmittags am Tag 10. September, des Jahres 2022, sie überrascht war über Anrufe von Freunden und Bekannten, die ihr mitteilten, dass ihr Mann zusammen mit einem Freund vermisst wurde.
Sie stellt klar, dass das Ehepaar zwei Häuser hat, eines in Campo Raso und ein weiteres in Cabeco do Chao. Oftmals übernachtete sie im Haus in Cabeco do Chao, Gemeinde Bandeiras, Bezirk Madalena, so wie es am 10. September 2022 war, als sie das Gesundheitszentrum in Madalena verlassen hatte.
Den letzten Kontakt hatte sie mit ihrem Mann am Vorabend der Reise nach Terceira.
Ihr Mann konsumierte gelegentlich alkoholische Getränke, Drogen konsumierte er nicht.
Sie wurde durch die Telefonate von Freunden und Bekannten auf sein Verschwinden aufmerksam gemacht.
Der Alltag ihres Mannes bestand aus den Arbeiten im Weinberg. Morgens holte er Arbeiter ab und brachte sie am Ende des Tages nach Hause. Gewöhnlich kehrte er abends nach Hause zurück, habe ferngesehen oder war am Computer.
Auf die Frage, ob ihr Mann eine Schusswaffe oder andere Waffe besäße, sagte sie, dass dies nicht der Fall sei.
Ihr Mann hat nie davon erzählt, dass er von jemandem bedroht wurde oder nicht ein verstanden (Streit hatte) sei, oder über etwaige Meinungsverschiedenheiten mit Dritten aufgrund der Grundstückskäufe.“
Vernehmender Beamter: L. C. D. M. G.
Anmerkungen der Gutachter
Es überrascht, dass die Ehefrau vom Opfer eines mutmaßlichen Tötungsdeliktes erst 4,5 Monate nach der vermeintlichen Tat erstmalig vernommen wird.
M. S. gibt an, dass sie an dem betreffenden Samstag gegen 18:00/19:00 Uhr ihren Ehemann telefonisch zu erreichen versuchte – insgesamt zwei Mal; dabei soll sie jeweils ein Besetzt-Signal erhalten haben. Auch soll sich ihren Mann am nächsten Tag versucht haben, anzurufen mit demselben Ergebnis (insoweit einem Besetztzeichen).
Nach Angaben der Ehefrau von Mario Coucelos soll diese ebenfalls versucht haben, ihren Ehemann telefonisch zu erreichen, als er gegen 18:30 Uhr noch nicht zuhause war. Vermutlich wird sie ebenfalls gegen 19:00 Uhr diesen Versuch unternommen haben. In ihrem Fall ging sofort der Anrufbeantworter, was ein Indiz für ein ausgeschaltetes Mobiltelefon sein dürfte.
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